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AutorenbildAlexander Dubowy

Russland: Ergänzungen zur Verfassungsänderung

Aktualisiert: 17. Feb. 2021

Wladimir Putin brachte heute knapp 24 Seiten an Ergänzungen zum Gesetzesentwurf über Verfassungsänderungen vom 20. Januar 2020 in die Staatsduma ein. Derzeit sind nur wenige Details aus den Gesprächen mit dem Vorsitzenden der Staatsduma Wjatscheslaw Wolodin bekannt. Ein offizielles Dokument ist nach wie vor nicht zugänglich.

Laut russischer Tageszeitung Vedomosti (Ведомости) sind u.a. folgende Verfassungsänderungs- und ergänzungsvorschläge geplant:


1. Die Ehe wird als eine Vereinigung zwischen Mann und Frau betrachtet. Der Schutz der Ehe sowie der Institute "Familie, Mutterschaft, Vaterschaft und Kindschaft" liegt in der Verantwortung des Staates. Diese Änderung ist insbesondere im Zusammenhang mit der Neufassung des Art 79 Verfassung RF spannend.


2. Die historische Kontinuität der Russischen Föderation wird in der Verfassung festgeschrieben, insbesondere soll "Erinnerung an die Vorfahren, die uns Ideale und den Glauben an Gott überliefert haben" sowie die Rolle Russlands als Fortsetzerstaat der UdSSR hervorgehoben werden.


3. Russisch soll als "Sprache des staatsbildenden Volkes" bezeichnet werden. Gleichzeitig wird festgehalten, dass "das staatsbildende Volk" den anderen Völkern Russlands gleichgestellt ist. Den anderen Völker soll das Recht auf die Bewahrung ihrer Muttersprachen garantiert werden


4. Auch soll die Verfassung die Herabwürdigung der "Leistung des Volkes bei der Verteidigung des Vaterlandes" untersagen. Gleichzeitig wird ganz im Sinne sogenannter Erinnerungskriege die Verpflichtung des Staates "die historische Wahrheit zu schützen" festgelegt.


Eine Verankerung des "Gottesbegriffes" (siehe bspw. ORF https://www.orf.at/#/stories/3156325/) in der Verfassung ist nach derzeitigem Stand nicht geplant. Laut Vorsitzendem der Staatsduma Wjatscheslaw Wolodin lautet die geplante Formulierung: "Die Russische Föderation, vereint durch jahrtausendealte Geschichte, die Erinnerung an die Vorfahren, welche uns die Ideale und den Glauben an Gott weitergegeben haben, sowie die Kontinuität in der Entwicklung des russischen (wörtlich: russländischen) Staates bewahrend, erkennt die historisch gewachsene staatliche Einheit an.".


Dabei handelt es sich um eine überraschende, aber durchaus im multikonfessionellen Sinne zu verstehende Formulierung, welche sich nicht ausschließlich auf die Russisch-Orthodoxe Kirche bezieht. Eine Änderung der Präambel der russischen Verfassung (siehe bspw. ORF https://www.orf.at/#/stories/3156325/) ist mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nur nach einer Gesamtänderung russischer Verfassung gemäß Art 135 Verfassung RF möglich.


Derzeit handelt es sich um die allerersten Informationen. Ein offizielles Dokument ist nach wie vor nicht zugänglich. In welchem Maß diese Verfassungsänderungsvorschläge tatsächlich in der Staatsduma diskutiert oder gar übernommen werden, bleibt abzuwarten.

Als vorläufiges Fazit zur Verfassungsreform in Russland kann das Folgende festgehalten werden: Alle Änderungen sind weitgehend kosmetischer Natur. Selbst die Erweiterung präsidialer Kompetenzen bestätigt lediglich die bereits gängige Verfassungspraxis. Ähnliche Rechtspositionen finden sich entweder in der Verfassung selbst, in Gesetzen oder ständiger Rechtsprechung des Verfassunggerichts wieder.


Allerdings gibt es auch eine andere Lesart dieser Verfassungsreform: Mit der Erweiterung präsidialer Kompetenzen und dem Ausbau des Einflusses im Föderationsrat reagiert der Kreml auf die Protestwellen der Jahre 2018/2019, behält die Kontrolle über den Machttransit 2024 und bereitet sich, sicherheitshalber, auf eine nicht zur Kooperation bereite, präsidentunfreundliche Staatsduma vor.


Ungleich wichtiger aber, gilt Kreml durch die für 22. April 2020 geplante sogenannte "gesamtnationale Volksabstimmung" den gegenwärtigen Machttransit zu legitimieren. Eine derartige "gesamtnationale Volksabstimmung" ist weder auf Verfassungs- noch auf Gesetzesebene vorgesehen, ein Verbot besteht aber genauso wenig. Zur Erhöhung der Wahlbeteiligung an einer solchen Abstimmung, werden auch - vorsichtig formuliert - ungewöhnliche, teils widersprüchliche, Verfassungsänderungen vorgeschlagen, welche aber unterschiedliche politische Lager und Bevölkerungsgruppen zufrieden stellen sollen.

Im Hintergrund aber geht die Suche nach einer angemessenen Position für Vladimir Putin für die Zeit nach 2024 (im Geist von Deng Xiaoping oder Lee Kuan Yew) weiter.

Somit dürfte Vladimir Putin auch einem Post-Putin-Russland noch lange erhalten bleiben.

Quellen:



Staatsduma und Zitate Wjatscheslaw Wolodins: http://duma.gov.ru/news/47919/

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