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  • AutorenbildAlexander Dubowy

Future Security Forum 2019

Am 29. April 2019 fand in Washington DC zum fünften Mal das Future Security Forum 2019 (vormals Future of War Conference) statt. Die Tagung wurde von der als Demokraten-nahe geltenden New America (vormals New America Foundation) und einer der größten staatlichen Universitäten der USA, Arizona State University, organisiert. In erster Linie nahmen an der Tagung zahlreiche hochrangige US-amerikanische Militärs, Vertreterinnen und Vertreter der Regierung und Diplomatie, akademischer Community sowie Medien teil.


Gestalt des Krieges vs. Natur des Krieges


Im Rahmen der Tagung wird mehrfach implizit wie auch explizit auf den veränderlichen Charakter des Krieges („Gestalt des Krieges“) im Gegensatz zur unveränderlichen Natur des Krieges („Wesen des Krieges“) Bezug genommen. Das unveränderliche Wesen des Krieges besteht in Anlehnung an Carl von Clausewitz darin, dem Gegner den eigenen politischen Willen durch organisierte Gewalt aufzuzwingen und bleibt somit unveränderlich. Die Gestalt des Krieges verändert sich aber von Epoche zu Epoche und wird in Zukunft durch drei Schlüsselbegriffe charakterisiert sein: Hybridisierung [subversive Maßnahmen im Rahmen hybrider Konflikte + proxy warfare + Cyber-Dimension], Robotisierung [neue technische Möglichkeiten] und Urbanisierung [Zwang zu urban warfare durch Anwachsen städtischer Bevölkerung und Transformation städtischer Räume zu großen Agglomerationen (Mega-Cities)]. Die Verringerung der Zahl menschlicher Opfer werde wohl zu einer Zunahme militärischer Konflikte führen, so die meisten Teilnehmer.


Angesichts dieser Entwicklungen verweisen die Teilnehmer in Bezug auf militärische Ebene auf die Notwendigkeit von Reformen zur Stärkung der Interoperabilität innerhalb der Streitkräfte, zur Vorbereitung der Streitkräfte auf die neuen Herausforderungen [Hybridisierung, Robotisierung und Urbanisierung der Kriegsführung], auch ertönt die Forderung nach der Unabdingbarkeit neuer konzeptueller Vorstellungen zukünftiger Konflikte. Auf nationalstaatlicher Ebene fordern die Diskutanten die Stärkung adaptiver Resilienz, inklusive Stärkung der geistigen Resilienz der Zivilbevölkerung.


Strategische Bedrohungen für die USA


Als strategische Bedrohungen für die USA werden China, Russland, Iran und schließlich Terrorismus eingestuft. Die Rückkehr der Großmächtekonkurrenz verdrängt den Kampf gegen internationalen Terrorismus und Krieg gegen Terror, den längsten Krieg in US-amerikanischer Geschichte, als zentrales Thema. Die zunehmende Großmächtekonkurrenz führe zur Intensivierung hybrider Konflikte und zur Zunahme von Stellvertreterkriegen (proxy warfare), so die übereinstimmende Meinung der Teilnehmer. Als Herausforderer der USA auf globaler Ebene werden China und Russland genannt; Iran und Nordkorea finden lediglich im regionalen Kontext Erwähnung. Der Zugang zu China und Russland ist aber ein sehr unterschiedlicher. China wird als die eigentliche langfristige Bedrohung für die globale Dominanz der USA und als einziger ernstzunehmender Herausforderer Washingtons betrachtet. Insgesamt pflegen die Teilnehmer einen respektvollen Umgangston gegenüber China, verweisen auf wechselseitige Abhängigkeiten und wünschen eine friedvolle Ko-Existenz zwischen den USA und China. Zugleich sind sich die Teilnehmer aber zugleich der Tatsache bewusst, dass selbst im Falle des Ausbleibens eines offenen militärischen Konfliktes gewisse Elemente hybrider Konfliktivität und des proxy warfare in den Beziehungen zwischen den USA und China vorhanden sein werden.

Russland wird dagegen weit weniger Respekt entgegengebracht. Moskau gilt den meisten Teilnehmern als kurzfristige Bedrohung, strebt lediglich nach der Absicherung der eigenen regionalen Einflusssphäre und agiert global als revisionistische „disturbing Great Power“, keineswegs aber als globale gestalterische Großmacht. In der Beziehung zu Russland solle das Risiko militärischer Zwischenfälle reduziert werden, eine De-Eskalation der Beziehungen könne nur zu von den USA aufgestellten Bedingungen erfolgen, so beispielsweise Admiral John M. Richardson, Chief of Naval Operations, U.S. Navy.


Aus militärischer Sicht bestehe die vordringendste Aufgabe der USA darin, alle Verbündeten und Partner resilient gegenüber externen Einflüssen zu machen. Dazu dient auch die Planung proaktiver Maßnahmen, um den potentiellen Gegnern voraus zu sein und sie zu reaktiven Maßnahmen zu zwingen. Die USA sehen sich weiterhin als eine globale Macht, welche die eigenen globalen Interessen zu schützen, bestehende Netzwerke auszubauen sowie neue regionale Partnerschaften einzugehen solle. Die Bekämpfung verschiedener Dimensionen von Allianzen globaler und regionaler Herausforderer [China-Russland, Russland-Iran usw.] gehöre dabei zu zentralen Aufgaben der USA.


Podiumsdiskussion: Die Zukunft der Proxy-Kriegsführung


Eingangs stellen die Diskutantinnen und Diskutanten fest, dass die Diskussionen über die Proxy-Kriegsführung stark politisiert und von einem „Freund-Feind-Denken“ geprägt seien. Zum besseren Verständnis der Problematik der Proxy-Kriegsführung bedürfe es einer einfachen Begriffsdefinition: Proxy-Kriegsführung sei die Unterstützung konventioneller oder irregulärer außerhalb verfassungsmäßiger staatlicher Ordnungen stehender Kräfte. Die Proxy-Kriegsführung (proxy warfare) sei kein Überbleibsel aus der Zeit des Kalten Krieges, sondern ein aktueller Trend moderner Kriegsführung und werde auf absehbare Zeit das Konfliktbild des 21. Jahrhunderts prägen. Das Regelwerk für die Proxy-Kriegsführung aus der Epoche des Kalten Krieges gelte jedoch nicht mehr in einer stark vernetzten, zunehmend multipolaren Welt.


Globalisierung, konfliktäre Multipolarität, erodierende Staatlichkeit, Aufstieg transnationaler Akteure, Verbreitung fortschrittlicher Militär- und Kommunikationstechnologien, Zunahme staatlicher, proto-staatlicher und nicht-staatlicher Akteure erhöhen die Wahrscheinlichkeit und die Intensität der Proxy-Kriegsführung. Eine schwache und fragmentierte Staatlichkeit fördert das Aufkommen von Proxies und erleichtert ihre Unterstützung. Insbesondere in Nordafrika und der MENA-Region, im geringeren Ausmaß im postsowjetischen Raum wird die Proxy-Kriegsführung zu einem massiven nur schwer zu kontrollierendem Problem.


Einer der problematischsten Punkte sei die Steuerbarkeit von Proxies. Grundsätzlich können Proxies nur in einem begrenzten Ausmaß gesteuert werden. Allerdings bestehen nicht wenige Möglichkeiten zur Negativkontrolle (z.B. Finanzierungsstopp; Eliminierung der Führungsebene, so bspw. im Fall der Separatisten im Donbass, welche teilweise vom russischen Geheimdienst eliminiert wurden). Die Podiumsteilnehmerinnen und Teilnehmer stimmen darin überein, dass im Bereich der Proxy-Kriegsführung mittel- bis langfristig die USA dominant bleiben werden.


Herausforderungen für 2030 aus der Sicht des US-Außenministeriums. Ein Gespräch mit Kiron Skinner, Planungsstabchefin im US-Außenministerium


Den Höhepunkt der Tagung bildet das Gespräch zwischen Kiron Skinner, Planungsstabchefin im US-Außenministerium (Director of Policy Planning), und ihrer Amtsvorgängerin, Tagungsmitorganisatorin (CEO von New America) und Hillary Clinton Vertrauten Anne-Marie Slaughter.


Eingangs hält Kiron Skinner fest, dass die Welt nachhaltige strukturelle Veränderungsprozesse durchlaufe, welche sich sowohl auf die internationalen Beziehungen als auch auf die inneren Entwicklungen von Nationalstaaten auswirken. Um gegenüber den neuen Bedrohungen bestehen zu können, bedürfe es der Anerkennung neuer Realitäten und der Überwindung überholter Denkweisen aus der Zeit des Kalten Krieges, worunter Skinner den Verzicht auf ideologische Realitätsverschleierung und -verkrümmung versteht.

Innenpolitisch zwingen diese Entwicklungen die US-amerikanischen politischen Entscheidungsträger nicht nur auf die eher liberal eingestellten an der pazifischen und der atlantischen Küste liegenden US-Bundesstaaten zu hören, sondern größere Aufmerksamkeit für Probleme und Sorgen der Menschen aus den in der Mitte des Landes liegenden eher konservativ gesonnenen US-Bundesstaaten aufzubringen. Global haben die USA nicht mehr die unbestrittene Führungsrolle. Nunmehr gelte es die globalen Interessen der USA gegen neue Herausforderer zu verteidigen. Dazu brauchen die USA sowohl wirtschaftliche wie militärische hard power (“Peace through Strength”) als auch diplomatische soft power (“Diplomatic Attractivity”).


Kiron Skinner spricht respektvoll, ja hochschätzend, über Donald Trump und bezeichnet den 45sten Präsidenten der USA als einen Politiker, welcher zwar über wenig theoretisches außenpolitisches Wissen und keine formelle Ausbildung im Bereich internationaler Beziehungen jedoch über starke außenpolitische Instinkte, ja über einen außenpolitischen Hausverstand, verfüge. Dieses ausgeprägte Gespür für internationale Beziehungen ermöglichte Donald Trump innerhalb der akademischen IB-Forschungsgemeinschaft eine theoretische Debatte über zahlreiche Konzepte neu anzufachen, welche über die vergangenen zwei Jahrzehnte als längst ausdiskutiert galten. Ihre eigene Aufgabe als Planungsstabchefin im US-Außenministerium und Leiterin des hauseigenen Think Tanks des US-amerikanischen Außenministeriums sieht Skinner in eine Art Übersetzungstätigkeit von nicht immer politisch korrekten Instinktemanationen des Präsidenten in eine fachpolitische Sprache und handlungsleitenden Policies. Solcherart sehe sich Kiron Skinner in Tradition ihrer Amtsvorgänger bis hin zu George Kennan stehend.


Die Außenpolitik-Doktrin Donald Trumps gründe nach Meinung von Skinner auf einigen Leitgedanken, die sich mit den neuen Realitäten des 21. Jahrhunderts, der Rückkehr des Großmächtekonkurrenz und der aus diesem Grund notwendigen Neudefinition der globalen Rolle der USA befassen.


Den Dreh- und Angelpunkt der Außenpolitik-Doktrin Donald Trumps bilde die im Wahlkampfslogan Donald Trumps „America first“ zu Ausdruck kommende Idee nationalstaatlicher Souveränität. Dieses Prinzip biete aus der Sicht der US-Administration die beste Grundlage für den Schutz von Menschen- und Bürgerrechten. Trotz Kritik an internationalen Organisationen und ungeachtet des Ausstiegs der USA aus einigen multilateralen Abkommen sei Washington der multilateralen Diplomatie gegenüber nicht grundsätzlich ablehnend eingestellt. Washington werde auch in Zukunft multilateral zu agieren bereit sein, falls dies in den nationalen Interessen der USA sein sollte. Insgesamt sehen aber die USA Nationalstaaten als die eigentlichen legitimen Entscheidungsträger in den internationalen Beziehungen und die zukünftigen Gestalter der Weltordnung an. Die US-amerikanische Außenpolitik-Doktrin ruhe heute auf drei Grundpfeilern: den nationalen Interessen der USA, dem Reziprozitätsprinzip sowohl bei internationalem Handel als auch im sicherheitspolitischen Bereich, beim Letzteren spiele das Prinzip gerechter Lastenverteilung eine wichtige Rolle sowie dem Streben nach Aufbau neuer flexibler regionaler Partnerschaften.


In Zukunft werden die USA jedenfalls nicht mehr bereit sein, die Rolle des globalen Sicherheitsproviders zu übernehmen. In Bezug auf die NATO betont Skinner zwar das zentrale Interesse der USA am Fortbestehen des Bündnisses. Ungeachtet großer Bedeutung der NATO in der Vergangenheit als Garanten militärischer Sicherheit in Europa werden die USA in Zukunft jedoch nicht gewillt seien, mit Ausnahme des nuklearen Bereiches, die Sicherheit für alle Mitgliedsstaaten, insbesondere wirtschaftsstarke Mitglieder wie Deutschland, zu garantieren. Vielmehr plane Washington in Zukunft innerhalb der NATO flexible regionale Partnerschaften einzugehen, in erster Linie mit den Baltischen Staaten, Polen und Großbritannien.


Die Trump-Doktrin fasste Anne-Marie Slaughter wie folgt zusammen: Unter Donald Trump sehen sich die USA als eine realpolitisch handelnde Großmacht und eine souveräne Nation, welche die nationalen Interessen in den Mittelpunkt ihrer Außenpolitik stelle, zugleich aber für internationale, auch multilaterale, Kooperationen auf der Grundlage des Reziprozitätsprinzips und des Prinzips gerechter Lastenverteilung bereit sei.


Die Großmächtekonkurrenz habe den internationalen Terrorismus als Gefahr Nummer 1 abgelöst. Als zentrale globale Konkurrenzmächte betrachten die USA China und Russland. Nach Meinung von Kiron Skinner sei Russland nur auf kurze Sicht ein Gegner der USA. Vielmehr möchte Russland den eigenen regionalen Einflussbereich absichern, auf globaler Ebene habe Moskau keine bzw. nur sehr stark begrenzte globale Machtaspirationen und versuche lediglich zu überleben. Bei China handle es sich aber für die USA um eine langfristige Bedrohung. Peking sei auf lange Sicht der eigentliche globale Herausforderer Washingtons auf politischer, ökonomischer und kulturell-ideologischer Ebene. Die Zeit für ein neues “Langes Telegramm“ als Grundlage der US-amerikanischen Containment-Politik gegenüber China nach dem Vorbild George Kennans „Langen Telegramms“ über die UdSSR aus dem Jahr 1946 sei überfällig, so Skinner.


Das Aufkommen einer neuen Bipolarität und eine Parallele zum Kalten Krieg lehne Skinner allerdings entschieden zurück. China sei mit der UdSSR nicht vergleichbar. Die UdSSR verfügte über eine rückständige Wirtschaft und war aufgrund der marxistischen Ideologie letztlich doch nur eine andere Spielart der westlichen Zivilisation. Somit handelte es sich beim Kalten Krieg um einen großen Kampf unter Wesensgleichen innerhalb der gemeinsamen westlichen Zivilisationsfamilie. Schließlich ermöglichte diese Wesensgleichheit auch die Helsinki Schlussakte sowie nachfolgende Annäherung. Ähnliches sei in Bezug auf China unvorstellbar. China gehöre einer anderen nicht-westlichen Zivilisation an, hänge – ungeachtet des in der chinesischen Gesellschaft nur oberflächlich verankerten Marxismus – einer fremdartigen Ideologie an und verfüge darüber hinaus über eine starke Wirtschaft. Der Konflikt mit China werde eher dem von Huntington beschworenen Kampf der Kulturen gleichen; denn erstmals in ihrer Geschichte werden die USA von einer nicht europäischen Großmacht global herausgefordert. Gegenwärtig arbeiten die USA jedenfalls an einer umfassenden gesamtstaatlich getragenen Policy gegenüber China.


Demographisch sieht Skinner die USA an der Schwelle zu großen Veränderungen. Nach wie vor werde nach wie vor die politischen (als auch die akademischen) Eliten, insbesondere im Bereich der Außenpolitik, überwiegend aus den Kreisen der WASPs rekrutiert bzw. aus dem Kreis unterschiedlicher ethnischer Gruppen, welche die Werthaltungen der WASPs anzunehmen bereit seien. Allerdings werde in naher Zukunft die sich wandelnde ethnische Struktur der USA zu einer neuen ethnischen, vor allem aber wertepolitischen, Zusammensetzung politischer (und akademischer) Eliten und letztlich zu einer anderen Politik führen.

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